Tief im Herzen by Roberts N

Tief im Herzen by Roberts N

Autor:Roberts, N
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-06-04T04:00:00+00:00


11. Kapitel

Ein schöner Samstagmorgen im Frühling war nicht dazu gemacht, im Haus zu hocken oder sich auf überfüllten Straßen herumzutreiben. Für Ethan gab es nur eins: aufs Meer rauszufahren. Die Vorstellung, einen Einkaufsbummel zu machen ja, einen Einkaufsbummel –, jagte ihm beinahe Angst ein.

»Ich begreife nicht, warum wir alle dabeisein müssen.«

Da Cam als erster am Jeep angelangt war, nahm er vorn Platz. Er wandte den Kopf, um seinem Bruder einen bösen Blick zuzuwerfen. »Weil wir alle in einem Boot sitzen. Die alte Claremont-Scheune ist zu vermieten, ja? Wir brauchen Platz, wenn wir Boote bauen wollen.«

»Irrsinn«, sagte Phillip nur, als er in die Market Street von St. Chris einbog.

»Man kann ja wohl schlecht eine Werkstatt einrichten, wenn man keine geeigneten Räumlichkeiten hat«, erwiderte Cam. Diesem Gedanken schien in seinen Augen eine unumstößliche Logik innezuwohnen. »Also sehen wir uns das Gebäude gemeinsam an, einigen uns mit Claremont und legen los.«

»Konzessionen, Steuern, Materialbeschaffung. Bestellungen, um Himmels willen«, begann Phillip aufzuzählen, »Werkzeug, Reklame, Telefonleitungen, Faxanschlüsse, Buchführung.«

»Dann kümmere dich darum.« Cam zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Sobald wir den Mietvertrag unterschrieben und Schuhe für den Kleinen besorgt haben, kannst du tun, was immer als nächstes auf dem Plan steht.«

»Ich soll das machen?« beschwerte sich Phillip, während Seth gleichzeitig murmelte, daß er keine blöden neuen Schuhe brauche.

»Ethan hat unseren ersten Auftrag an Land gezogen, und ich habe die Scheune aufgetan. Nun kannst du dich um den Papierkram kümmern. Und du kriegst die blöden Schuhe«, drohte er Seth.

»Ich weiß gar nicht, warum du hier den Boß spielst.«

Cam lachte grimmig auf. »Ich auch nicht.«

Das Claremont-Gebäude war im Grunde keine Scheune, konnte aber von der Größe her als solche gelten. Mitte des 18. Jahrhunderts war dort ein Tabaklager untergebracht worden. Nach dem Unabhängigkeitskrieg hatten die britischen Schiffe mit ihrem breiten Warensortiment St. Chris nicht mehr angelaufen, so daß die florierenden Geschäfte bald der Vergangenheit angehörten.

Der Aufschwung am Ende des 19. Jahrhunderts war direkt von der Bucht ausgegangen. Mit den verbesserten Konservierungs- und Verpackungsmethoden war ein Markt für Austern entstanden, und in St. Chris kehrte neuer Wohlstand ein. Im alten Tabaklager wurden die Austern verpackt.

Nachdem die Austernbänke nicht mehr genug hergaben, wurde das Gebäude zu einem großen Lagerschuppen umgebaut. Im Laufe der nächsten fünfzig Jahre hatte es dann fast die Hälfte der Zeit leergestanden.

Von außen machte das Gebäude nicht viel her: von Sonne und Regen verschossener Backstein, daumengroße Löcher im Mörtel, ein durchhängendes altes Dach, das dringend neu gedeckt werden mußte. Die wenigen Fenster, die es zu gab, waren klein und schäbig, die meisten Scheiben zerbrochen.

»Oh, sieht ja vielversprechend aus.« Angewidert parkte Phillip den Wagen seitlich des Gebäudes.

»Wir brauchen Raum«, rief Cam ihm ins Gedächtnis. »Schön muß es nicht sein.«

»Gott sei Dank, denn das hier läßt sich wirklich nicht als schön bezeichnen.«

Ethan, dessen Interesse geweckt war, stieg aus. Er ging zum nächstliegenden Fenster und benutzte das Halstuch, das in seiner Gesäßtasche steckte, um den Schmutz abzuwischen, so daß er hineinsehen konnte. »Es ist kein schlechtes Haus. Es hat hinten eine Laderampe und einen Anlegesteg. Wir müssen nur ein bißchen Arbeit reinstecken.



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